Die Familie Waldmann Probst Hofmann Jähnig
Den bislang ältesten Nachweis meiner
Familie habe ich in einem Dokument aus dem Jahr 1580 im Niedersächsischen
Staatsarchiv in Osnabrück entdeckt (Rep. 350 Ibg./20). Es handelt
sich um ein Verzeichnis aller im Amte Iburg gesessenen Hausleute. Für
die Ortschaft Grambergen ist dort ein Hof Woltman aufgeführt.
Die Kirchenbücher des Kirchspiels Schledehausen reichen zurück bis ins Jahr 1623. Die ältesten Einträge für meine Familie stammen aus dem Jahr 1624. Am 24. Juni stirbt "de olde Waldmannsche". Im September desselben Jahres stirbt ihre Schwiegertochter (verheiratet mit Hermann Waldmann). Es folgen vier weitere Todesfälle in den nächsten fünf Jahren. Dies sind die Folgen einer Pestepidemie und des Dreißigjährigen Krieges. 1626 stirbt Hermanns zweite Ehefrau. Der Eintrag im Sterbebuch lautet: Wir können nicht nur unsere Familie sehr weit zurückverfolgen, auch einige der von ihnen
erstellten Gebäude sind heute noch zu sehen. Das Backhaus, das auch heute noch
auf unserem Hofgelände steht, ist das älteste noch erhaltene
Gebäude. Es wurde 1741 von Gisbert Waldmann und seiner Frau Anna Maria Amalia,
geb. Domhoff errichtet.
Sogar einige Dokumente unseres Hofarchivs sind so alt.
Das älteste
Dokument ist ein Kaufvertrag über ein Stück
Wald im Voßsiek aus dem Jahre 1754.
Der bekanntere Teil der Geschichte meiner Familie beginnt im Jahr 1799. Die Waldmanns sind zu dieser Zeit Leibeigene des Reichsgrafen zu Münster-Langelage. Im Januar verkauft Ludwig von Münster-Langelage den Hof mit allen Bewohnern an den Meyer zu Schledehausen und auch an die Waldmanns selbst. Diesem doppelten Verkauf folgt ein fast 6 Jahre dauernder Gerichtsstreit. Aus den vorhandenen Akten läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen, mit welchem Käufer der Graf zuerst einen rechtsgültigen Vertrag abgeschlossen hatte. Meine Familie verliert den Prozess. In der Sache allerdings gewinnen sie. Denn schon am 2. November 1804 wird mit dem Meyer zu Schledehausen ein Freikaufvertrag geschlossen. Diesem Vertrag zufolge werden die damaligen Mitglieder der Familie Waldmann (Catharina Voß, verwitwete Waldmann, Adam Averbeck, genannt Waldmann und die vier Kinder) aus der Leibeigenschaft für 1800 Reichstaler entlassen und bekommen den Hof in Erbpacht. Ludewig Waldmann, der den Prozess begonnen hat, stirbt gleich zu Beginn. Da der Sterbfall und später auch die Auffahrt für den neuen Colon Adam Averbeck bestimmt werden muss, wird eine Aufstellung des Hofes vorgenommen. Die Flächen werden wie folgt angegeben:
Dies entspricht 31,64 ha. (1 M = 12 S; 1 S = 54 QR; 1 M = 1,4142 ha, 1 S = 0,1177 ha) Besonders interessant sind die aus
dem Prozessakten hervorgehenden Methoden, mit denen beide Seiten versuchen,
die jeweils andere Seite unglaubwürdig zu machen. So wird zum Beispiel
dem zukünftigem Ehemann der Witwe Catharina Waldmann, Adam Averbeck,
vorgeworfen, ein "unstatthaftes" Verhältnis zu Margarethe, der ältesten Tochter,
zu haben. Nachweisen kann man ihm dieses zwar nicht und dem Grafen wird
auferlegt, gegenüber Margarethe eine Ehrenerklärung abzugeben -
es gibt aber durchaus Indizien, die sich aus den Zeugenaussagen ergeben.
So sagt ein Knecht aus, er habe Adam eines Morgens schlafend auf dem Bett
der Tochter angetroffen (die Tochter war allerdings nicht im Raum).
Es wird auch versucht, Zeugen unglaubwürdig
zu machen. So wird dem Colon Huckeriede, der mit einer Schwester von Catharina
Waldmann verheiratet ist, vorgeworfen, er wäre der Rädelsführer
und ohne ihn hätten die Waldmanns den Prozess gar nicht begonnen.
Er soll auch gesagt haben, dass er die Prozesskosten übernehmen
wird, wenn die Waldmanns den Prozess verlieren.
Wie schon erwähnt, erhalten meine Vorfahren den Hof 1804 in Erbpacht. Am 18. September 1819 kaufen sie den Hof für 3200 Reichstaler in Gold. Victor August Meyer zu Schledehausen hatte schon im Vorjahr seinen Hof gegen das zur Schelenburg gehörende Gut Bruchmühlen getauscht. Drei Tage nach Abschluß des Kaufvertrages heiratet der Anerbe Victor Waldmann. Seine Frau Marie Elisabeth Brinkmann stirbt aber schon zwei Monate später. Knapp ein Jahr danach heiratet Victor die Nichte seines Stiefvaters Marie Elisabeth Averbeck. 1823 wird der erste Sohn Adam geboren, in den nächsten Jahren folgen zwei Töchter. Es folgt ein Ereignis, dass auf dem Spruchbalken
des Hauptgebäudes unseres
Hofes festgehalten wurde. Dort steht:
Einer Legende zufolge, die in meiner Familie erzählt wird, brannte auch das alte Haus ab. Die Ursache soll Brandstiftung gewesen sein, und zwar durch den Bauern selber, da er sich gegen seinen Stiefvater und seine Frau nicht behaupten konnte. Der zweite Brand wird durch einen Blitzschlag verursacht: die Strafe? 1842 wird dann noch ein Sohn geboren: Christoph. Da auf unserem Hof das Jüngstenrecht gilt, ist er der Anerbe, wohl ein kleiner Schock für seinen schon 19 Jahre alten Bruder. Fünf Jahre später stirbt Victor Waldmann. Er "entleibte sich selbst durch einen Schuß in den Unterleib". Im Kirchenbuch wird nicht erwähnt, ob es sich um einen Unfall oder Selbstmord handelt. Ein Unfall erscheint aber wahrscheinlicher. Da seine Kinder und insbesondere ja der Anerbe noch minderjährig sind, wird ein Inventarverzeichnis aufgestellt. (Es scheint, dass man zu dieser Zeit erst mit 25 Jahren volljährig war.) Danach gehören zum Hof 157 Morgen und 25 Quadratruten landwirtschaftliche Nutzfläche (~ 42 ha). Dazu kommen noch einige Waldflächen, deren Größe nicht aufgeführt ist. Beschrieben ist aber die Anzahl und Stärke der vorhandenen Bäume. Auffallend ist, dass nur noch wenige starke Bäume vorhanden sind (die stärkste Eiche ist zwei Fuß dick), kein Wunder nach dem zweifachen Hausbau 15 Jahre vorher. Aber auch andere forsthistorische Nutzungen des Waldes werden erwähnt. So ist am Kampe "Übrigens sehr vieler leerer Raum, weßhalb der Kamp auch als Kuhweide benutzt wird." Und das oberste Ende des Voßsieks "kann nur als Plaggenmatt angesehen werden" (auch andere Waldflächen werden so beschrieben). Die Witwe heiratet ein Jahr nach Victors Tod Johann Adam Tiemann, der als Colon auf den Hof kommt. Er ist nur 2 Jahre älter als sein ältester Stiefsohn und führt den Hof bis zur Volljährigkeit des Erben, wobei er von Adam vermutlich unterstützt wird. Bemerkenswert ist, dass Adam Waldmann nicht heiratet, sondern auf dem Hof bleibt. 1852 wird der benachbarte Hof Rahenkamp für 2930 Taler in Gold gekauft, dessen Eigentümer nach Amerika auswandern. Die Flächen werden größtenteils von den Waldmannschen Flächen umschlossen, so daß der Kauf sehr günstig ist. Mit dem Kauf vergrößert sich der Hof um 62 Morgen und 29 Quadratruten (~ 17 ha). 1865 stellt Christoph beim Königlichen
Preußischen Justiz-Ministerium einen Antrag, um sich vorzeitig für
volljährig erklären zu lassen. Dieser Antrag wird im Februar
1866 abgelehnt mit der Begründung, dass
Für Adam Waldmann ändert sich nun alles. Solange sein Bruder nicht aus Amerika zurückkehrt (was er nicht tut) ist er Hofbesitzer. Er heiratet Marie Elisabeth Knackwefel und gründet eine Familie. Christoph zieht vier Jahre durch ganz Amerika bis er sich 1870 in Stitzer, Grant County, Wisconsin als Bauer niederläßt und Marie Elisabeth Hartmann aus Haltern bei Belm heiratet. Er hat sich eine Gegend ausgesucht, die verblüffend seiner Heimat ähnelt. Die Hofstelle liegt in einem Tal zwischen Hügeln, die mit Eichen bewaldet sind. Die ursprüngliche Hofstelle wird später verkauft, aber noch heute leben Nachfahren von Christoph in Stitzer. In Deutschland wartet aber schon
der nächste Schicksalsschlag. 1884 bricht in Grambergen eine Typhusepidemie
aus. Daran stirbt nicht nur Adams Frau, sondern auch sein ältester
Sohn im Alter von 16 Jahren. Adam verpachtet den Hof und zieht zu seiner
Schwester nach Ellerbeck. Seine beiden Kinder Marie und Heinrich bringt
er bei Geschwistern seiner verstorbenen Frau unter. 1887 stirbt er. Seine
Kinder bleiben bei den Verwandten. Mit 20 Jahren heiratet Marie Heinrich
Adam Gerhard Averbeck. Sie stirbt 1898 bei einem Unfall: Sie wird von einer
Kuh zu Tode geschleppt und hinterläßt zwei minderjährige Söhne.
Der älteste leidet an Epilepsie, der zweite erkrankt später ebenfalls und stirbt 1939 in Wunstorf unter noch
ungeklärten Umständen.
Heinrich
Waldmann geht, nachdem er volljährig ist, zum Militär. Dort
lernt er - so wird es in unserer Familie erzählt - den Bruder seiner späteren Frau kennen.
(Wie sich durch die Familienforschung herausgestellt hat, hatte seine spätere Frau gar keinen Bruder, sondern
lediglich drei Schwestern. Wahrscheinlich war es ein angeheirateter Neffe seiner Frau, den Heinrich Waldmann beim
Militär kennengelernt hat. Zumindest ist bekannt, dass Heinrich Siebert-Meyer zu Hage lange beim Militär war.) 1901 heiratet er
Hermine Meyer zu Hage aus Vehrte und kehrt auf seinen elterlichen Hof zurück.
Nach seinen Aussagen ist dort außer den Gebäuden, die sich in
einem schlechten Zustand befinden, nichts mehr vorhanden. Er muss
bei Null anfangen, da das ererbte Barvermögen nicht einmal für
die Mitgift seiner Schwester ausreicht. Zum Glück bringt seine Frau
Geld mit in die Ehe. So wird der Hof wieder lebendig. Die Gebäude
werden renoviert und umgebaut. Noch heute sind im Flur (früher: Flett) des Wohnhauses die
Decke und Bodenfliesen aus dieser Zeit zu sehen. 1903 wird als einziges Kind
Elisabeth, genannt Lisbeth, geboren.
Heinrich dient im ersten Weltkrieg
und wird in den zwanziger Jahren Bürgermeister von Grambergen. Sein
Hobby ist die Jagd und zeitweise ist er Pächter der Gramberger Genossenschaftsjagd.
1937 heiratet
seine Tochter Friedrich Probst aus Darum. 1938 wird der erste Sohn
geboren. Friedrich Probst stellt gleich nach der Hochzeit einen Antrag
auf Namensänderung, da er den Namen Waldmann annehmen will. Als er
am 17.02.1941 zum Militär eingezogen wird, ist dieser Antrag noch nicht
entschieden. Im Juli des gleichen Jahres wird der zweite Sohn
geboren. 1943 stirbt Hermine Waldmann, geb. Meyer zu Hage.
Friedrich kommt mehrere Male zum
Fronturlaub nach Hause. 1945 gerät er in französische Kriegsgefangenschaft.
In einem Lager bei Nancy arbeitet er in der Küche. Am 26. April 1946
schreibt er einen Brief an seine Frau, indem er wiederholt um
ein Verpflegungspaket bittet, da die Verpflegung im Lager schlechter geworden
sei. Er beklagt sich auch über die langsame Post und sendet
Grüße und alles Gute an Opa, Wilhelm (seinen Bruder, der zu
Hause aushilft) und seine lieben Jungens. Am nächsten Tag wird er
beim Holzfällen von einem Baum tödlich getroffen.
Zehn Jahre später stirbt Lisbeth
an einem Gehirnschlag. Die beiden Waisen werden von ihrem Großvater
adoptiert, so bleibt der Name "Waldmann" erhalten.
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